Vom Feminismus, dem 8. März und #FFP
„Ich glaube, ich werde etwas über Feministische Außenpolitik schreiben“, sage ich zu meinem Mann.
„Okay.“
„Wegen dem 8. März, weil der im Monat März liegt.“
„Ja klar liegt der im Monat März“, meint er leicht verständnislos.
„Was ich sagen will: Es gibt nur einen Frauentag, den 8. März, die anderen 364 Tage im Jahr sind dann folglich Männertag.“
„Ja, ganz bestimmt!“
„Oder gibt es auch einen International Men’s Day“, frage ich.
Nein, den gibt es nämlich nicht, dachte ich. Bis ich gegoogelt habe. International Men’s Day, IMD, 19. November. Anders als der IWD ist er jedoch nicht von den Vereinten Nationen anerkannt. Also.
Diese Tage wurden und werden in der Regel ins Leben gerufen für Menschen, die diskriminiert werden (LGBTQ, 17. Mai) oder als schwächer gelten (Kinder, 20. November) und für Dinge, die man schützen (Weltmeere, 8. Juni) oder erhalten muss (Frieden, 21. September).
Viele Politiker*innen, internationale Organisationen und mehr und mehr Unternehmen (meist mit etwas Nachholbedarf bei weiblichen Mitarbeiterinnen und Kundinnen) legen sich im Monat März ordentlich ins Zeug, um zu zeigen, was sie alles machen, um Feminismus und Frauen zu unterstützen. Hier ein aus Marketing-Gesichtspunkten äußerst interessantes Beispiel von Mercedes-Benz:
https://www.youtube.com/watch?v=jGhe13nY2sg
Das basic Marketing-Wissen auch in die Politik Einzug gehalten ist, ist nichts Neues. So entschieden sich auch zwei deutsche Ministerinnen – Svenja Schulze vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und Annalena Baerbock vom Auswärtigen Amt (AA) – gleich zu Beginn des Monats März wichtige politische Dokumente zum Themenbereich zu veröffentlichen; und so das Momentum für ihre Zwecke zu nutzen. Am 1. März traten die beiden Politikerinnen aus SPD und Grüne vor die Hauptstadtpresse und präsentierten die Leitlinien sowohl zur feministischen Entwicklungspolitik (BMZ) als auch zur feministischen Außenpolitik (AA).
Baerbock ging aber einen großen Schritt weiter als ihre Kollegin – sie lud am frühen Nachmittag zu einer bemerkenswerten Pressekonferenz ins AA. Das Event war mit Vorlauf angekündigt gewesen: Auf der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) Mitte Februar hatte die deutsche Außenministerin sich mit Kolleginnen aus Ländern wie Frankreich, Kanada und der Mongolei getroffen und dazu ein Selfie auf Twitter geposted. „We‘re getting there“, war die Message:
Einen Tag nach der MSC2023 veröffentlichte das Nachrichtenmagazin Spiegel wesentliche Inhalte der geplanten „Leitlinien feministische Außenpolitik“; der Redaktion liege ein Entwurf vor, hieß es. Im Internet richtete das AA eine Launch-Seite ein, auf der die mehr als einstündige Präsentation gestreamed wurde.
Das Event selbst war ebenfalls höchst medienwirksam orchestriert: Erstmal wurde ein dreiminütiger professioneller Erklärfilm gezeigt, danach stellte die Ministerien in fast einer halben Stunde die Leitlinien der neuen Politik sehr anschaulich vor: „Rechte, Repräsentanz, Ressourcen. Darum geht es bei der feministischen Außenpolitik. Im Zeichen dieser „drei R“ stehen unsere Leitlinien“, ist einer der kritischen Sätze. Schließlich gab es eine Paneldiskussion mit fünf Gästen und einem Moderator. Die gesamte Veranstaltung ist unter diesem Link zu sehen:
Als letzte der fünf Panelteilnehmer*innen sprach Kristina Lunz, Mitgründerin des Center for Feminist Foreign Policy, kurz Center for FFP, und seit mehreren Jahren Beraterin des AA zum Thema. Sie beglückwünschte „die Ministerin und das Haus, diesen so mutigen Schritt zu gehen“. Baerbock sei nicht nur die erste Frau an der Spitze der 152jährigen Geschichte des AA, sondern auch die erste Person, die einen derartig mutigen Schritt mache. „Und das ist eine Doppelbelastung und das muss anerkannt werden“, kommentiert die 33jährige. Frieden, Stabilität und Sicherheit können nur erreicht werden, wenn patriarchalische Strukturen innerhalb von Staaten und international abgebaut würden; diese Strukturen „sind Gewaltstrukturen in unserer Gesellschaft“. Die Menschenrechtsaktivistin spricht von „langfristiger Transformation“.
Und dann sagt der Moderator, Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Bundeswehruniversität in München, dass ihm der Veranstalter – also das AA – noch zehn Extraminuten gegeben hat und damit die Möglichkeit, auch die Ministerin noch zu befragen. Baerbock antwortet versiert und eloquent, dass FFP und harte Sicherheitspolitik durchaus zusammenpassen und entgegnet damit einem Hauptvorwurf vieler Kritiker. Sie spricht sich lautstark für Waffenlieferungen an die Ukraine und deren Recht auf Selbstverteidigung aus und macht klar: Ich bin keine Taube, sondern kann durchaus ein Falke sein, wenn die Situation es verlangt. Frauen machen die Einsätze von Bundeswehr und NATO stärker und robuster; eine Armee mit wenigen Frauen ist eine schwächere Armee, so die Grünen-Politikerin.
Kein Frieden ohne Feminismus; kein nachhaltiger Frieden ohne Frauen. So fassen die Panelteilnehmer*innen die FFP zusammen.
An dieser Stelle ist für mich wichtig zu sagen, dass ich eine Unterstützerin von FFP bin. Für mich ist das aber ein so genannter „no-brainer“, also vollkommen offensichtlich und logisch, dass Politik, die die Belange der Hälfte der Bevölkerung nicht ausreichend integriert, keine effektive, keine nachhaltige Politik sein kann. Ich sehe eine klare Verbindung zwischen Gleichberechtigung und Inklusion mit Entwicklung und Frieden. Okay, ich selbst habe meine Master-Arbeit an der Uni Cambridge über auch so einen, in meinen Augen „no-brainer“ geschrieben: „The role of the UN in the post-Cold War era – the link between peace and development“. Das war 1996; die UN hatte im Jahr davor ihr 50jähriges Jubiläum gefeiert und der damalige GeneralsekretärBoutros Boutros-Ghali mit der „Agenda for Development“ seinen zuvor ausgegebenen Plan der „Agenda for Peace“ komplementieren wollen. Die UN war nach dem Ende des Kalten Krieges auf Sinnsuche. Zum Schluss des rund 20seitigen Papiers steht: „The changed face of conflict today requires us to be perceptive, adaptive, creative and courageous, and to address simultaneously the immediate as well as the root causes of conflict, which all too often lie in the absence of economic opportunities and social inequities.”
Die Hauptursachen von Konflikten angehen, die nur allzu oft in fehlenden wirtschaftlichen Möglichkeiten und sozialen Ungleichheiten liegen. Von da zum Abbau von Diskriminierung und Exklusion von Frauen und Mädchen ist es nur ein Gedankensprung. Geschlechtergerechtigkeit ist denn auch Ziel Nummer 5 der 2015 verabschiedeten Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung. Für mich ist FFP auch nicht neu, sondern eine besondere Form einer menschenrechtsbasierten Politik. Probleme wahrnehmen, anpassungsfähig, kreativ und mutig sein – das war schon 1995 gefragt. 28 Jahre später zeigt Annalena Baerbock, dass sie all das verstanden hat und in die Tat umsetzt. Wie kaum eine andere beherrscht die 42jährige die Klaviatur der medienwirksamen Inszenierung und der sozialen Medien; Hashtag FeministischeAußenpolitik und #FFP zeugen davon. Besser könnte Mercedes kein neues SUV auf die Straße bringen. Oder: „She is getting there.“ Das AA wird nicht die letzte Station von Ministerin Baerbock in ihrer beeindruckenden Karriere sein.
Hier der Link zur AA-Webseite zum Thema inklusive Leitlinien:
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/feministische-aussenpolitik