Vom Feminismus, dem 8. März und #FFP

„Ich glaube, ich werde etwas über Feministische Außenpolitik schreiben“, sage ich zu meinem Mann.

„Okay.“

„Wegen dem 8. März, weil der im Monat März liegt.“

„Ja klar liegt der im Monat März“, meint er leicht verständnislos.

„Was ich sagen will: Es gibt nur einen Frauentag, den 8. März, die anderen 364 Tage im Jahr sind dann folglich Männertag.“

„Ja, ganz bestimmt!“

„Oder gibt es auch einen International Men’s Day“, frage ich.

Nein, den gibt es nämlich nicht, dachte ich. Bis ich gegoogelt habe. International Men’s Day, IMD, 19. November. Anders als der IWD ist er jedoch nicht von den Vereinten Nationen anerkannt. Also.

Diese Tage wurden und werden in der Regel ins Leben gerufen für Menschen, die diskriminiert werden (LGBTQ, 17. Mai) oder als schwächer gelten (Kinder, 20. November) und für Dinge, die man schützen (Weltmeere, 8. Juni) oder erhalten muss (Frieden, 21. September).

Viele Politiker*innen, internationale Organisationen und mehr und mehr Unternehmen (meist mit etwas Nachholbedarf bei weiblichen Mitarbeiterinnen und Kundinnen) legen sich im Monat März ordentlich ins Zeug, um zu zeigen, was sie alles machen, um Feminismus und Frauen zu unterstützen. Hier ein aus Marketing-Gesichtspunkten äußerst interessantes Beispiel von Mercedes-Benz: 

https://www.youtube.com/watch?v=jGhe13nY2sg

Das basic Marketing-Wissen auch in die Politik Einzug gehalten ist, ist nichts Neues. So entschieden sich auch zwei deutsche Ministerinnen – Svenja Schulze vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und Annalena Baerbock vom Auswärtigen Amt (AA) – gleich zu Beginn des Monats März wichtige politische Dokumente zum Themenbereich zu veröffentlichen; und so das Momentum für ihre Zwecke zu nutzen. Am 1. März traten die beiden Politikerinnen aus SPD und Grüne vor die Hauptstadtpresse und präsentierten die Leitlinien sowohl zur feministischen Entwicklungspolitik (BMZ) als auch zur feministischen Außenpolitik (AA).

Baerbock ging aber einen großen Schritt weiter als ihre Kollegin – sie lud am frühen Nachmittag zu einer bemerkenswerten Pressekonferenz ins AA. Das Event war mit Vorlauf angekündigt gewesen: Auf der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) Mitte Februar hatte die deutsche Außenministerin sich mit Kolleginnen aus Ländern wie Frankreich, Kanada und der Mongolei getroffen und dazu ein Selfie auf Twitter geposted. „We‘re getting there“, war die Message:

Einen Tag nach der MSC2023 veröffentlichte das Nachrichtenmagazin Spiegel wesentliche Inhalte der geplanten „Leitlinien feministische Außenpolitik“; der Redaktion liege ein Entwurf vor, hieß es. Im Internet richtete das AA eine Launch-Seite ein, auf der die mehr als einstündige Präsentation gestreamed wurde.

Das Event selbst war ebenfalls höchst medienwirksam orchestriert: Erstmal wurde ein dreiminütiger professioneller Erklärfilm gezeigt, danach stellte die Ministerien in fast einer halben Stunde die Leitlinien der neuen Politik sehr anschaulich vor: „Rechte, Repräsentanz, Ressourcen. Darum geht es bei der feministischen Außenpolitik. Im Zeichen dieser „drei R“ stehen unsere Leitlinien“, ist einer der kritischen Sätze. Schließlich gab es eine Paneldiskussion mit fünf Gästen und einem Moderator. Die gesamte Veranstaltung ist unter diesem Link zu sehen: 

Als letzte der fünf Panelteilnehmer*innen sprach Kristina Lunz, Mitgründerin des Center for Feminist Foreign Policy, kurz Center for FFP, und seit mehreren Jahren Beraterin des AA zum Thema. Sie beglückwünschte „die Ministerin und das Haus, diesen so mutigen Schritt zu gehen“. Baerbock sei nicht nur die erste Frau an der Spitze der 152jährigen Geschichte des AA, sondern auch die erste Person, die einen derartig mutigen Schritt mache. „Und das ist eine Doppelbelastung und das muss anerkannt werden“, kommentiert die 33jährige. Frieden, Stabilität und Sicherheit können nur erreicht werden, wenn patriarchalische Strukturen innerhalb von Staaten und international abgebaut würden; diese Strukturen „sind Gewaltstrukturen in unserer Gesellschaft“. Die Menschenrechtsaktivistin spricht von „langfristiger Transformation“.

Und dann sagt der Moderator, Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Bundeswehruniversität in München, dass ihm der Veranstalter – also das AA – noch zehn Extraminuten gegeben hat und damit die Möglichkeit, auch die Ministerin noch zu befragen. Baerbock antwortet versiert und eloquent, dass FFP und harte Sicherheitspolitik durchaus zusammenpassen und entgegnet damit einem Hauptvorwurf vieler Kritiker. Sie spricht sich lautstark für Waffenlieferungen an die Ukraine und deren Recht auf Selbstverteidigung aus und macht klar: Ich bin keine Taube, sondern kann durchaus ein Falke sein, wenn die Situation es verlangt. Frauen machen die Einsätze von Bundeswehr und NATO stärker und robuster; eine Armee mit wenigen Frauen ist eine schwächere Armee, so die Grünen-Politikerin.

Kein Frieden ohne Feminismus; kein nachhaltiger Frieden ohne Frauen. So fassen die Panelteilnehmer*innen die FFP zusammen.

An dieser Stelle ist für mich wichtig zu sagen, dass ich eine Unterstützerin von FFP bin. Für mich ist das aber ein so genannter „no-brainer“, also vollkommen offensichtlich und logisch, dass Politik, die die Belange der Hälfte der Bevölkerung nicht ausreichend integriert, keine effektive, keine nachhaltige Politik sein kann. Ich sehe eine klare Verbindung zwischen Gleichberechtigung und Inklusion mit Entwicklung und Frieden. Okay, ich selbst habe meine Master-Arbeit an der Uni Cambridge über auch so einen, in meinen Augen „no-brainer“ geschrieben: „The role of the UN in the post-Cold War era – the link between peace and development“. Das war 1996; die UN hatte im Jahr davor ihr 50jähriges Jubiläum gefeiert und der damalige GeneralsekretärBoutros Boutros-Ghali mit der „Agenda for Development“ seinen zuvor ausgegebenen Plan der „Agenda for Peace“ komplementieren wollen. Die UN war nach dem Ende des Kalten Krieges auf Sinnsuche. Zum Schluss des rund 20seitigen Papiers steht: „The changed face of conflict today requires us to be perceptive, adaptive, creative and courageous, and to address simultaneously the immediate as well as the root causes of conflict, which all too often lie in the absence of economic opportunities and social inequities.”

Die Hauptursachen von Konflikten angehen, die nur allzu oft in fehlenden wirtschaftlichen Möglichkeiten und sozialen Ungleichheiten liegen. Von da zum Abbau von Diskriminierung und Exklusion von Frauen und Mädchen ist es nur ein Gedankensprung. Geschlechtergerechtigkeit ist denn auch Ziel Nummer 5 der 2015 verabschiedeten Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung. Für mich ist FFP auch nicht neu, sondern eine besondere Form einer menschenrechtsbasierten Politik. Probleme wahrnehmen, anpassungsfähig, kreativ und mutig sein – das war schon 1995 gefragt. 28 Jahre später zeigt Annalena Baerbock, dass sie all das verstanden hat und in die Tat umsetzt. Wie kaum eine andere beherrscht die 42jährige die Klaviatur der medienwirksamen Inszenierung und der sozialen Medien; Hashtag FeministischeAußenpolitik und #FFP zeugen davon. Besser könnte Mercedes kein neues SUV auf die Straße bringen. Oder: „She is getting there.“ Das AA wird nicht die letzte Station von Ministerin Baerbock in ihrer beeindruckenden Karriere sein.

Hier der Link zur AA-Webseite zum Thema inklusive Leitlinien:

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/feministische-aussenpolitik

Der ultimative Kontrollverlust

Fünf Tage sind seit dem schweren Erdbeben im Südosten der Türkei und Norden Syriens am frühen Morgen des 6. Februar 2023 vergangen. Fünf Tage – das sind 24, 48, 72, 96, 120 Stunden. In diesen Schritten zählen Katastrophenhelfer. 120 Stunden – die Chance, dass ein Mensch so lang unter Trümmern überlebt, noch dazu bei Temperaturen in der Nacht von minus vier Grad, sind verschwindend gering. Die Zahl der Überlebenden, die geborgen werden, sinkt von Tag zu Tag: Laut tagesschau.de waren es in den vergangenen 24 Stunden in der Türkei nur noch 67 Menschen. Die Zahl der Todesopfer ist mittlerweile auf mehr als 23.000 gestiegen – rund 20.200 Menschen in den türkischen Gebieten, mehr als 3000 Tote in Syrien.

Die Bilder aus der Region sind erschütternd. Um 04:17 Ortszeit am Montagmorgen bebt die Erde Nahe der Millionenstadt Gaziantep mit einer Stärke von 7,7, elf Minuten später wackelt es nochmal spürbar stark (6,7). Den ganzen Tag folgen Nachbeben, am Mittag eins fast so stark wie das am Morgen, Magnitude 7,5. Die Beben lassen ganze Hochhäuser einstürzen, reißen Straßen auf, Brücken stürzen ein. Die Szenen erinnern an Krieg: heftig bombardierte Gebiete in der Ukraine, Zerstörung und Schutt in Syrien. In Gaziantep leben mehr als zwei Millionen Menschen, das sind mehr als in Hamburg, Deutschlands zweitgrößter Stadt. Obwohl viele Deutsche die Namen noch nie gehört haben, hat das Beben Metropolen getroffen: Adana mit ebenfalls mehr als zwei Millionen Einwohnern, Diyarbakır mit mehr als 1,7 Millionen, Kahramanmaraş mit mehr als 600.000 (größer als Stuttgart oder Düsseldorf). In Syrien sind unter anderem Aleppo (2,1 Millionen), Homs und Idlib betroffen – alles Städte, die seit 2011 unter dem Bürgerkrieg leiden.

Das Beben hat die Menschen in der Nacht überrascht – das ist besonders fatal, weil die meisten zu der Uhrzeit zu Hause in ihren Betten schlafen. Das eigene Heim wird dann zur Falle. Das menschliche Leid ist unermesslich. Und das meine ich wirklich so. Solang man es selbst nicht erlebt hat, weiß man nicht, wie es sich anfühlt, wenn der Sohn mit seiner gesamten Familie – Frau, drei Kinder – im Wohnblock begraben wird. Wenn man als Tochter seine Eltern in so einem Beben verliert. Wenn Bruder oder Schwester von einstürzenden Mauern Brüche davontragen – mehr als 80.000 Verletzte melden die Einsatzkräfte bisher. Wenn man Glück gehabt hat, das Gebäude nur beschädigt ist, man es rausschafft, auf die Straße, im Nachthemd, barfuß, und vor den Trümmern seines Zuhause steht.

Ein Erdbeben ist der ultimative Kontrollverlust. Die Erde bebt, und man kann nichts, aber auch gar nichts machen, dass es aufhört. Wir in Deutschland haben das Glück, dass es bei uns keine Erdbeben gibt, zumindest keine wirklich spürbaren. Wir kennen es nicht, dass man sich auf so ein Ereignis kaum persönlich vorbereiten kann (außer vielleicht die Tasche mit wichtigen Dokumenten neben der Tür; wir hatten so eine Zuhause, im Schlafzimmer meiner Eltern, meine Mutter nannte sie „Gewittertasche“), nicht weiß, wann es zuschlägt. So etwas macht Angst.

„Planen“ bringt nur sehr bedingt etwas. Man kann mit sehr viel Geld Infrastruktur wie Gebäude erdbebensicher bauen. Die Türkei gehört zu den 20 stärksten Volkswirtschaften der Welt, aber Südostanatolien ist sozusagen das innere Entwicklungsland, hängt wirtschaftlich Jahrzehnte hinter den westlichen Regionen mit boomenden Städten wie Istanbul, Ankara und Izmir zurück. Dort haben die Provinz- und Lokal-Regierungen und auch die Menschen teilweise noch andere Bedürfnisse, bevor sie ans erdbebensichere Bauen denken: erstmal überhaupt genügend Schulen und Krankenhäuser betreiben, Energieversorgung sichern, erstmal Jobs schaffen. Wenn Haushaltsmittel knapp sind – das betrifft sowohl die öffentliche wie auch die private Hand – muss priorisiert werden. Deswegen treffen Naturkatastrophen wie Beben, Überschwemmungen, Wirbelstürme arme Länder auch viel härter – sie sind vulnerabler, verletzlicher. Sie sind vor dem Schlag durch die Natur schon schwächer, und werden dann vergleichsweise heftiger getroffen, weil sie weniger Mittel haben, um den Folgen der Zerstörung schnell und effektiv zu begegnen.

Meine Familie und ich, wir haben die beiden schweren Erdbeben in Mexiko im September 2017 erlebt. Beim zweiten Beben vom 19. September – in sozialen Medien #19S – stürzten allein in Mexiko-Stadt mehr als 40 Gebäude ein, darunter eine Schule. Es starben landesweit 369 Menschen, mehr als 8000 wurden verletzt. Gott sei Dank ereignete sich das Beben mit einer Stärke von 7,1 zur Mittagszeit, 13:14, die meisten Menschen waren bei der Arbeit, in der Schule, auf der Straße. Unser Wohngebäude wurde beschädigt, nach mehreren Stunden wagten wir uns hinein, bis in den 3. Stock zu unserer Wohnung. Wir waren geschockt, was wir da sahen, wir griffen mechanisch zwei Koffer mit Kleidung, Zahnbürsten und Schulheften, und marschierten zu Fuß zur Wohnung meiner Schwiegermutter – der Verkehr war zum Erliegen gekommen, die Metro fuhr nicht. Wir hatten Glück im Unglück – wie sich nach einigen Wochen des Bangens rausstellte, war die Statik des Gebäudes in Ordnung, die Renovierung konnte beginnen. Wir mieteten eine andere Wohnung, zogen aus unserer Eigentumswohnung aus, wollten uns monatelangen Lärm, Staub und Dreck nicht antun.

Was uns geschah, ist nichts im Vergleich zu dem, was die Menschen in Gaziantep oder Adana erlebt haben. Und trotzdem sitzt selbst bei mir – die keinen Menschen verloren, der kein Haar gekrümmt wurde – das Ereignis so tief, dass ich mir die Bilder vom Beben dieser Woche nicht ansehen kann, ohne dass sich meine Augen mit Tränen füllen.

Die Menschen in den betroffenen Gebieten haben unser Mitgefühl verdient, unsere Hilfe. Jetzt sofort. Morgen. In den kommenden Tagen und Wochen. Katastrophenhilfe. Sie haben unsere Unterstützung verdient. In den kommenden Monaten und Jahren. Finanzielle Unterstützung, technische, aber auch soziale und psychologische. Diese Erfahrung wird mit den Menschen bleiben, ihr Leben lang. Die meisten werden lernen, damit umzugehen. Bei einigen wird es Jahre dauern. Und andere wird es eventuell nach Jahrzehnten wieder einholen – wie nicht wenige alte Menschen, die den 2. Weltkrieg erlebt haben, im letzten Jahr durch Bilder von Russlands Angriff auf die Ukraine aufgewühlt wurden. Aber die meisten schaffen es. Der Mensch ist resistent, resilient. Aber es hilft, wenn er dabei nicht allein ist.

Sleepless in Steglitz – Oder was Saša Stanišić mit meinen Schlafproblemen zu tun hat

Die vergangenen zehn Wochen waren ziemlich heftig. Zu heftig, als dass meine Psyche damit tagsüber klarkommen konnte, also arbeitete sie nachts weiter, auf Hochtouren.

Anfang Januar kamen wir von unserem Familienbesuch über Weihnachten und Neujahr zurück nach Hause. Wir hatten kurz vor Heiligabend alle vier einen Corona-Schnelltest gemacht, und als der negativ ausfiel, da fuhren wir tatsächlich los, um Oma und Opa zu sehen. Als wir in Berlin unsere Haustür aufschlossen, begrüßte uns der Anblick von Wassertropfen, die sich an der Decke unseres Arbeitszimmers sammelten, Wasser stand auf dem Boden. Wir wohnen in einer Doppelhaushälfte (DHH), ich sprinte die Treppe hoch, Wasser im Bad – auf dem Boden, es tropft ebenfalls von der Decke. Also noch ein Stockwerk höher, ins Dachgeschoss, wo die Heizungsanlage steht. Und ja, aus einem, wie ich später erfahre „Sicherungsventil“, tritt feiner Sprühregen aus. Erst jetzt merke ich, dass das Haus saukalt ist. Ich renne wieder runter, mein Mann und meine zwei Söhne stehen etwas verdattert im Eingang, wir suchen Feudel und Handtücher und machen uns an die Arbeit. Ich rufe den Wartungsdienst an, es ist 18:00 abends, logo geht keiner ran im Büro. Aber es gibt eine Notfallnummer, und es nimmt sogar der Senior-Chef ab. Sein Sohn würde versuchen, heute Abend noch vorbeizukommen.

Nach zwei Stunden Wischen unsererseits und fast zwei Stunden Rumschrauben seitens des Junior-Chefs sind die Böden oberflächlich wieder trocken, aber das Haus weiterhin ein Kühlschrank und nicht mal das Leck dicht, so dass wir die Hauptwassserleitung abgedreht lassen müssen. Wir füllen Eimer mit Wasser, um wenigstens notdürftig die Klos zu spülen und am kommenden Morgen Kaffee zu machen. Wir suchen unsere Skiklamotten raus, ziehen lange Unterwäsche an, nix wird aus dem Plan, eventuell relaxed einen Film auf Netflix zu sehen, sondern ab ins kalte Bett. Was für ein Nach-Hause-Kommen.

Mein Arbeitszimmer nach Aufwischaktion.

Ich merke, ich muss hier etwas schneller die Kurve kriegen.

Die Heizung wurde am kommenden Tag repariert, das Haus war dann nach einer Weile wieder warm. Mein Mann und ich niesten und schnupften seit dem Tag, ich dachte, so’n Mist, jetzt haben wir uns auch noch eine Erkältung geholt. Als dann auch noch Kopf- und Gliederschmerzen dazu kamen, entschieden wir uns, einen Corona-Test zu machen. Und der ist positiv bei meinem Mann und mir ausgefallen, unsere beiden Jungs im Alter von 19 und 16 Jahren kriegten jedoch ein negatives Ergebnis. Also: Nicht nur häusliche Quarantäne für uns, sondern auch noch innerhäusliche Isolation für meinen Mann und mich. Er im Schlaf-, ich im Arbeitszimmer, wo ich auf einer Matratze schlafe. Denn die Frau vom Gesundheitsamt Steglitz-Zehlendorf erklärte mir, dass er und ich nicht im selben Zimmer schlafen sollten, um die „Virenlast“ niedrig zu halten. Und natürlich sollen wir uns von den Kindern fernhalten, damit wir die nicht anstecken. Wir beide dürfen also für 10 Tage nach dem Auftreten der ersten Symptome nicht aus dem Haus, mit niemandem Kontakt haben, unsere Söhne für 14. Schule verpassen sie nicht, denn seit Anfang Januar heißt es in Berlin mal wieder „saLzH“ (schulisch angeleitetes Lernen zu Hause); also kein Präsenzunterricht, sondern remote.

Berliner Bezirk Steglitz-Zehlendorf…up and coming! Mehr als man in F*ckhain-Kreuzberg und Mitte denkt.

Knapp zwei Wochen später – für den Tag, an dem auch für unsere Jungs endlich die Quarantäne vorbei ist – vereinbarten wir den Termin mit dem Sachverständigen der Wohngebäudeversicherung unseres Vermieters. Mehr als eine Stunde trabt eine deutsch-deutsche Delegation durch unser Haus: der „Schadensexperte“ aus Bezirk Treptow-Köpenick (ehemalig Ost-Berlin), der Hausbesitzer, Bezirk Tempelhof-Schöneberg (ehemalig West-Berlin), die Architektin des Hausbesitzers aus Hoppegarten (Brandenburg) – alles Bio-Deutsche. Und der Mitarbeiter der Wassersanierungsfirma aus Schönefeld (ebenfalls Brandenburg), mit türkischem Migrationshintergrund, von daher sehr wahrscheinlich kein ehemaliger Ossi. Ich als norddeutsche Wegweiserin durch unsere DHH, meine Jungs als deutsch-mexikanische Zaungäste verfolgen das erste und einzige Spektakel seit Beginn der Corona-Quarantäne in unseren vier Wänden. Ist fast besser als The Queen‘s Gambit.

Der Sachverständige kommt nach 70 Minuten zu folgendem Schluss: Es gibt ein best case- und ein worst case-Szenario.

Best case: Bei der vertieften Feuchtigkeitsmessung in der kommenden Woche geht alles klar, dann müssen nur ca. zwei Wochen Trockner in den betroffenen Räumen aufgestellt werden, danach „Wiederherstellung“, und bingo.

Worst case: Bei der Probenentnahme wird Schimmel festgestellt. Dann wären alle betroffenen Decken, Wände und Fußböden „abgängig“.

Ich so: „Abgängig? Können Sie das bitte auf Nicht-Sachverständisch sagen?“

Er. „Naja, dann muss det alles rausjerissen werden, jetrocknet, desinfiziert. Alles. Bad, Decken, alles.“

Boom. Tolle Nachricht am Freitag mittag.

Ich so: „Und von welcher Reparatur-Dauer sprechen wir dann da?“

Er: „Vier bis sechs Monate.“

Ich sah mich schon nach Wohnungen im Internet suchen, natürlich vergeblich. Und Umzugskartons packen. Ich bin mit meiner Mikro-Familie acht Mal umgezogen, davon fünf Mal über Landes- beziehunsgweise Kontinentgrenzen. Nach dem schweren Erdbeben vom 19. September 2017 verließen wir in Mexiko-Stadt unsere Wohnung, weil wir nicht fünf, sechs Monate auf einer Baustelle leben wollten. Ich dachte: „Scheiße, das ist mein zweites Erdbeben hier, dieser verdammte Wasserschaden.“

Ich merke, mir fällt das Kurvekriegen sichtlich schwer.

Nach vier Tagen waren wir dann erleichtert, als der Wassersanierungs-Experte uns sagte, dass sich kein Schimmel gebildet hatte; best case also.

Also, um zum Anfang zurückzukommen. Ich wachte also regelmäßig nachts auf, und konnte dann erstmal ein, zwei Stunden nicht mehr einschlafen. Nachdem ich sowas in der Härte das erste und einzige Mal in meinem Leben 2012 erlebt hatte, weiß ich, dass man dann ruhig bleiben soll. Wenn man bis zum ersten Mal wie ein Biber geschlafen hat, ist man erstmal geschockt. Aber: 80% der Deutschen schlafen schlecht, 9% leider unter schweren Schlafstörungen, so eine Studie der DAK; Frauen etwas mehr (10%) als Männer (8%). Ist also an sich eine Volkskrankheit. Entsprechend viele Tipps lassen sich in der Literatur finden. Ich weiß mittlerweile: Wenn die rasenden Gedanken, die wie wilde Pferde durch Dein Hirn galoppieren, sich nach 10, 15 Minuten immer noch nicht einfangen lassen, dann einfach Licht an, Buch lesen. Und nach einer halben Stunde wieder versuchen einzuschlafen.

Hab‘ ich gemacht. Und so „Herkunft“ von Saša Stanišić gelesen. Sein dritter Roman ist ein stark autobiographisches Werk, das beschreibt, wie er 1992 als 14jähriger aus Jugoslawien nach Deutschland kommt. Er erzählt viel über seine Jugendjahre im Heidelberger Stadtteil Emmertsgrund – wo in den 70er Jahren die Neue Heimat eine „Großwohnsiedlung“ für 7000 Menschen hochzog. Ich habe in Heidelberg studiert, war aber nie im Emmertsgrund, was total typisch ist, weil sich die Studierenden von außerhalb damals – wie sicher auch heute – für Schloss und Karlsbrücke, nicht aber für Hochhaussiedlungen a la Mümmelmannsberg oder Gropiusstadt interessierten. Stanišić erzählt von seiner Großmutter väterlicher Seite, die in Višegrad (Bosnien) zurückgeblieben ist und fast dreißig Jahre später an schwerer Demenz leidet. Bestimmte Dinge, die seine Oma getan oder nicht getan hat, ändert Stanišić in seinem Roman einfach ab. Ist ja kein Sachbuch, sondern fiction. Er macht das so elegant, so kreativ, so witzig, so einfühlsam, dass ich erstmal nicht wusste, was ich lesen sollte, als ich die 360 Seiten durch hatte.

Für seinen dritten Roman “Herkunft” erhielt Saša Stanišić unter anderem den Deutschen Buchpreis 2019.

In diesen schlaflosen Stunden in Steglitz dachte ich: „So wie Saša Stanišić muss es man es machen. Einfach ein bisschen „spin doctor“ spielen an der eigenen Familiengeschichte. Ein bisschen den insta-Filter drüberlegen. Das Drehbuch für die amazon prime-Serie nochmal leicht redigieren.“ Stanišić hat zu Recht den Deutschen Buchpreis 2019 für „Herkunft“ erhalten und ist zu Recht – zumindest finde ich das – einer der ganz, ganz Großen der deutschen Gegenwartsliteratur. Und vielleicht haben für diesen Erfolg – neben dem herausragenden Talent des jugoslawischen „Jungen mit Migrationshintergrund“ – ein Lehrer einer Gesamtschule in Rohrbach und eine Sachbearbeiterin der Ausländerbehörde in Heidelberg eine sehr entscheidende Rolle gespielt. Stanišić ist nicht nur ein Ausnahme-Talent, sondern hat auch eine Ausnahme-Integration hingelegt (der Mann kann anscheinend seitenweise Eichendorff aufsagen, und ist damit an literarischer Bildung mindestens 95% der Bundesbürger*innen inklusive mir überlegen). Er ist ein Beispiel für „upward mobility“, für die Chancengleichheit in unserem Land – er steht für Kinder mit „nicht-deutscher Herkunftssprache“, gleiches wünsche ich mir zudem für die aus bildungsfernen Haushalten.

(geschrieben am 12. März 2021)

La vida loca, aka “the crazy shit”

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Again this summer, I realized what an un-normal, out of the ordinary life we are living.

My friend whom I helped a bit with her move, she just talked about “the crazy shit” after a while. We also called it “la vida loca”, but what she this summer and we last summer had to go through had nothing to do with the Ricky Martin song.

What I am talking about is a transatlantic move with a family of four. Ending the life you led at some place on this globe for several years, packing up everything, saying good-bye to friends. End of that story that was called “Berlin” (in her case) or “Mexico City” (in ours). She had lived in the German capital for 5.5 years, we in the Mexican for 5. Our kids spent very formative years of their lives in CDMX – our oldest from 11 to 16, our youngest from 8 to 13. No surprise, child #1 found it an extremely bad idea of parents to move at that stage in his life. He had made such good friends, he felt at home there, he wanted to continue with his life there. Period. Nothing else. For sure not start all over again, as he had done before – when he was 11 (and 7 and 2). He still remembered how it was the last time, and knows how it is, when you are the new one.

As a family, we have been living “la vida loca” for basically 18 years. My husband and I moved from Hamburg to Mexico City when he started his first job after finishing his PhD and I left mine, close to 8 months pregnant with our first child. We moved to The Hague, when child #1 was 2 years old; to Vienna, with child #2 on board, he then 4 years old. And back to Mexico in 2013. My oldest has a longer CV than some 50-year-old German who has lived in the same town all his life, done an apprenticeship and kept on working for that employer.

PostGlobe2

What comes on top for us and my friend, is that she and me, we are not married to Germans. But a person from a different country, even different continent, definitely different culture. Which makes the whole “expat experience” far more complicated. Because, “expat” jumps pretty short when compared to that situation. We have Latin American parents in law, a bank account in a developing country, and children in Mexican and Argentinian schools. When I left Germany at the end of 2001, I learned that privileges I would have enjoyed if I had stayed in Germany did not apply to me, as I was living abroad. For example, the time I stayed at home taking care of my first-born was not recognized by the German retirement system, as I did not “educate him in Germany or a EU country”. That he, someday, might live and work in Germany (which he can, among other things, as I always spoke German to him) and pay for retired people’s pension, is totally irrelevant in that respect.

Okay, as a picture is worth a thousand words, here come a few pages…

I have sold or gotten rid of about 3 cars, fridges, TV sets, and xboxes or play stations or whatever these things are called. And yes, we have sets for both – Mexican and German outlets – for our computers, etc. Yes, this is us:

PostEnchufes

And yes, our kids have two passports, two birth certificates, their parents are experts in consular affairs and all the paper work one needs to do when applying for a German birth certificate in Mexico or a Mexican in The Netherlands. My husband and I got married in the UK, as back then, in 2000, we had to present far less documents than in Germany (try to get a “Ledigkeitsbescheinigung” or “Auszug aus dem Melderegister” in Mexico; great fun); and he was doing his PhD at the University of London. So, this is symbolic picture number 2:

PostPassports

And this is one of the most precious things I own. My set of mugs from Penguin Books which I bought when I did my masters at the University of Cambridge. And they moved with me, these mugs: in suitcases (from the UK to Cologne, from Hamburg to Mexico), in containers (from Mexico to The Hague; from Vienna to Mexico), in boxes (from one apartment to the other in Mexico, when we got hit by the 19S earthquake).

PostMugs

I leave you with two more photos.

PostBlombe1

This is the seal that the moving company put on a Hapag-Lloyd container in May 2004, the first time we moved with the Mexican Foreign Service. The last time we moved, last summer, we never saw a seal: the company was CRAP, cero a la izquierda, as they say in Mexico. The move took them more than eight weeks, instead of the usual four to five…

PostAABag

And yes, a psychologist once said that I am not a piece of “Diplomatengepäck”. Being the trailing spouse, and I am sure being the trailing child of an expat or a diplomat is not easy. Has its challenges. Can suck. Big time. I guess the expat’s or diplomat’s life as well, sometimes, but one assumes that he or she decided for that kind of life at some point. And might chose the exit option if he or she does not want to carry on with it.

But all in all, looking back at nearly 18 years of “la vida loca”, aka “the crazy shit” has been an enriching, interesting, inspiring experience that made all of us grow. I thank my “squad Lara” for this ride! (There is a reason why I did not write this post a year ago, when we just arrived in Berlin…the “conclusion” would have sounded a lot different.)

 

Einigkeit und Recht und Freiheit

Nach mehr als 16 Jahren im Ausland bin ich diesen Sommer zurück nach Deutschland gezogen. Es ist eine Rückkehr in meine Heimat, aber auch in ein Land, das sich teilweise sehr verändert hat. Wobei das nicht singular für Deutschland zutrifft – kein Land der Welt sieht heute mehr so aus wie im Jahr 2002. Anhaltende Industrialisierung, Digitalisierung, Klimawandel, Finanz- und Staatsschuldenkrise, Demokratisierungsbewegungen wie der Arabische Frühling, in einigen Ländern verheerende Kriege – all das hat seine Spuren mehr oder weniger stark in den USA, Brasilien, Ägypten, Russland oder China hinterlassen.

In der Zeit im Ausland – in Mexiko, den Niederlanden, Österreich und zuletzt wieder Mexiko – habe ich immer Kontakt zu Deutschland gehalten. Ich habe einigermassen versucht, die Nachrichtenlage nicht aus den Augen zu verlieren, war regelmässig hier. Aber das war nur zu Besuch, meist im Sommer, geprägt vom Austausch mit der Familie, Treffen mit Freunden, ein bisschen Sightseeing, damit die Kinder wenigstens mal den Hamburger Hafen und die Speicherstadt gesehen haben.

Wir haben die vergangenen Jahre in einem Land gelebt, in dem 44 Prozent der Bevölkerung arm sind; mehr als 53 Millionen Menschen. Diese Personen haben in der Regel weniger als 3000 Pesos im Monat zur Verfügung, das sind nicht mal 150 Euro. Sie leiden häufig an Hunger, leben in Hütten aus Holzlatten und Wellplastik, in den Kliniken in ihren Gegenden fehlen Ärzte und Medikamente, ihre Kinder gehen, wenn überhaupt, auf schlechte Schulen. Die lokale Mittelschicht – die, typisch für ein Schwellenland, deutlich kleiner ist als in Industriestaaten – erlebte in den vergangenen zehn Jahren einen deutlichen Verlust ihres Realeinkommens. Nur den Reichen geht es immer besser; 16 Mexikaner zählt Forbes allein auf seiner Milliardären-Liste. Das Land leidet unter organisierter Kriminalität und Gewalt (Mordrate von rund 20 (im Vergleich: Deutschland 1, Brasilien 30)). Die Straflosigkeit liegt bei über 90 Prozent. Mexikaner sehen in der Regel die Polizei nicht als “Dein Freund und Helfer”, das Vertrauen in den Staat ist in den letzten Jahren nochmal wieder weiter abgesackt.

Dies ist mein persönlicher Erfahrungshintergrund. Und deswegen kann ich es nicht glauben, was gerade in Deutschland passiert. Genauer gesagt, in der deutschen Politik. Die Spitzen der Grossen Koalition – die Bundeskanzlerin, ihr Innenminister und Chef der Schwesterpartei CSU sowie die Vorsitzende der SPD-Fraktion – entscheiden sich dagegen, einen Verfassungsschutzpräsidenten, der in seiner Arbeit schweres Fehlverhalten an den Tag gelegt hat, vernünftig zu entlassen. Sie brauchen die Entrüstung in der breiten Öffentlichkeit, um zu merken, dass ihre Position gegen jedweden gesunden Menschenverstand verstösst. Damit zeigen Merkel, Seehofer und Nahles, wie weit sie sich von der Lebensrealität ihrer Bürger entfernt haben; leider nicht das erste Mal in den vergangenen Monaten.

Dies passiert in einem Umfeld, in dem in Chemnitz offen fremdenfeindliche Parolen geschrien wurden und die Rechtspartei AfD, bereits drittstärkste Kraft im Bundestag, nach aktuellen Umfragen sogar die ehemalige Volkspartei SPD hinter sich lassen würde. Daneben müssen so komplizierte Probleme wie langfristig sichere Renten, die Preisexplosion auf dem Immobilienmarkt und fehlende Lehrkräfte und Pflegepersonal gelöst werden. ABER – trotz allem, geht es Deutschland und den Deutschen so gut. Man muss gar nicht bis nach Mexiko gucken, um das zu verstehen. Und Mexiko liegt entwicklungsmässig noch deutlich vor Bolivien, Ägypten oder Indonesien.

Die Regierung ist in einer der schwersten Krisen der deutschen Demokratie der Nachkriegszeit und versteht nicht, dass sie die nur gemeinsam angehen kann. Sicher, die Lage ist schwierig, aber das ist sie meistens. Angela Merkel sollte so mutig sein, Horst Seehofer in die Schranken zu weisen. Die CSU sollte verstehen, was gerade auf dem Spiel steht. Andrea Nahles sollte dafür sorgen, dass das Führungsteam der GroKo nicht den Reality Check vergisst. Ein Jahr nach der Bundestagswahl und nur sechs Monate nach Antritt der Regierung muss nach vorn geguckt und Verantwortung übernommen werden. Denn Neuwahlen sind sicher keine Alternative.

#19S

El día de hoy, mis pensamientos están con mis queridos en México.

Ustedes son luchadores. Son, porque no hay de otra. Luchan por si mismo, por sus hijos, sus nietos, su familia, sus amigos. Vivimos todos los sismos del 19 y del 7 de septiembre de 2017 – los desastres naturales en estos días, los esfuerzos de rescate y ayuda en los días y semanas siguientes, y desafortunadamente también respuestas de autoridades no adecuadas. Cabe mucho que hacer, y espero que los gobiernos – federales, estatales, municipales – de cualquier color toman la responsabilidad para apoyar a su gente. Que sean buenos gobiernos, funcionando, eficaces, sirviendo a la gente. Porque eso es la “razón de ser” de un gobierno, ninguna otra.

Estoy pensando en ti, México, hoy! Prevención de cualquier forma – tener leyes inteligentes, implementar reglamentos, construir casas y edificios duraderas y infraestructura resiliente, entrenar sistemas de rescate – es indispensable para vivir en una zona sísmica! México vive mucho más retos que otros países. Por eso, estamos con México!

Reconstrucción lenta e insuficiente

Siempre he sentido que el tiempo tiene otro concepto en México. Desde esta semana, hay un nuevo comisionada para la reconstrucción de la Ciudad de México (CDMX). Este funcionario, Edgar Oswaldo Tungüi, dijo, según reportes en medio, que “la reconstrucción no tardará 32 años”, con referencia a la duración entre el devastador sismo de 1985 y el del año pasado. ¡Ah, que bueno, que alivio! Pero, espérame, que desafortunada cosa que decir: Perdóname, Sr. Tungüi, yo, personalmente, estaba más pensando en 3 meses o 3 años, no en más que 30. ¿Que alivio debería ser un comentario como ese? Para mi no es ningún alivio. Es hasta que otra muestra que el gobierno de la CDMX – y me temo que también el gobierno federal de México, porque hablamos de una crisis nacional – tiene otro concepto de que es buena gobernanza que yo.

Pasaron casi seis meses desde el 19 de septiembre. Hablamos de medio año. Casi 25 semanas. Más que 170 días. Y hasta hoy en día, en la zona donde vivo, que es una zona de clase media-alta, hay edificios acordonados, desalojados – estos edificios se ven bastante mal, pero no están adentro de los alrededor 50 edificios que ya cuentan con decision oficial de las autoridades que deben ser demolidos. Están adentro de los cientos de edificios que están en algún tipo de tramite: que reciben los dictámenes finales de en que estado estructural están, o que esperan al plan de un ingeniero civil de como exactamente uno debe repararlas, o que los dueños de sus condominios están en negociaciones como arreglar los daños y como pagarlo. Y estos procesos se han tardado, y siguen tardándose. Aquí algunas impresiones:

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Atras de estos muros, hay cientos de historias. Familias que tenían que salir de sus hogares, quedarse con algún familiar o rentar otro departamento. Familias que todavía viven en incertidumbre porque no saben que pasará con su patrimonio; que no saben como avanzarán con su vida en esta ciudad. Creo que después de casi 6 meses, los casos de estos edificios en limbo, de estas familias en limbo, deberían ser mucho menos.

El otro problema es el tipo de ayuda, de apoyo. Que es francamente insuficiente. Hace una semana participé en el “diagnóstico socioeconómico para las personas afectadas por el fenómeno sísmico 19S”. Me preguntaron mi edad, mi nivel educativo, cuanto gano al mes. Me preguntaron si mi vivienda fue afectada a raíz del sismo del 19 de septiembre, y si obtuve algún dictamen de seguridad estructural después que clasificara mi casa en riesgo. Al final, querían saber si soy beneficiaria de alguno de los programas que inició la CDMX después del sismo: ¿Albergues, comedores? No, afortunadamente podríamos quedarnos con mi suegra, luego rentar un nuevo hogar durante nuestro departamento fue reparado. ¿Entrega de kit de material para reconstrucción, de láminas y polines para apuntalamiento? No, nuestro edificio esta hecho de concreto y tabiques, entonces no nos sirven láminas, y afortunadamente no necesitaba apuntalamiento. ¿Apoyos para renta? No, porque después de los primeros fraudes, el proceso se hizo más complicado que decidimos de no seguir adelante pedir los 3000 pesos de apoyo por 3 meses. Si uno tiene un trabajo exigente, no es tan fácil de acudir a diferentes oficinas, esperar su turno por algunas veces horas.

Que no me preguntaron era: ¿Cuanto les ha costado de reparar los daños? ¿Alguien les apoyó? ¿Que ha ofrecido la CDMX hasta hoy en día, para ustedes era una ayuda? ¿Están contentos con como ha manejado el gobierno la reconstrucción? Para mi, estas son las preguntas claves. Pero, a lo menos de mi lado, resultarían en respuestas poco cómodas para el gobierno.

Aparte del equipo de protección civil que vino a nuestra casa directamente después del sismo para hacer una evaluación rápida del estado de nuestro edificio, no hemos recibido ningún apoyo. Teníamos mucha suerte en la mala suerte: Nadie se murió, nadie se lastimó, nuestro edificio no colapsó, no sufrió daño estructural, pero habían daños en muros, en ventanas, sufrió un cortocircuito el elevador, lo mismo pasó con la bomba de agua. Siguió un periodo de casi seis meses de reparaciones; están por terminar los arreglos en los últimos departamentos de nuestro edificio. Seis meses. Para mi era un tiempo largo. Pero viendo muchos edificios en mi zona, estuvimos rapidísimos, reaccionamos de manera impresionante. Lo podríamos hacer porque no teníamos que esperar que nos apoya el gobierno, lo hicimos todos los dueños de los 21 departamentos de nuestro edificio.

Mi lección aprendida del sismo del 19 de septiembre y de la reacción del gobierno después es: No puedes confiar en que las autoridades te van a ayudar. En un país como México, con más que 120 millones de habitantes, 53 millones de ellos viviendo en pobreza (43.6%), con 30 millones de personas laborando en el sector informal, yo con mi trabajo fijo, recibiendo un sueldo cada mes y pagando impuestos, ya soy una de las pocas afortunadas. Entonces: Tienes que prepararte, tienes que prevenir. No previenes sismos, viviendo en una zona sísmica como México. Pero en enero, finalmente aseguramos nuestro departamento. Con las condiciones existentes de seguros de casas (deducibles y coaseguros para las zonas más afectadas en 3 y 30%), no nos ayudaría en caso de daño parcial, como lo hemos vivido hace casi un medio año. Pero en caso de perdida total, que espero que nunca, nunca vamos a vivir, nos ayudaría. Puede sonarse ilógico, pero viendo que se quedaron gentes con nada después del sismo y que no recibieron casi nada de apoyo, me daba una tan tristeza.

Entiendo que un gobierno siempre debe ayudar a las personas que más lo necesitan. Y había muchas necesidades en los estados de Oaxaca y Chiapas, y en zonas pobres de la CDMX como Xochimilco e Iztapalapa. Pero reconstruir una casa en Xochimilco no cuesta lo mismo que reconstruir un departamento en la colonia Del Valle, Condesa o Juárez. Pero también en estas zonas, la gente tiene que seguir viviendo, apoyando a sus familias, pagando vivienda, comida, hasta la colegiatura de sus hijos y la consulta médica. Son muchas personas que con sus trabajos formales contribuyen al ingreso del estado, pero que casi no reciben nada en retorno. Creo que también deben ser escuchados y atendidos.

3 Monate…

…ist es her, dass das brutalste Erdbeben seit mehr als 30 Jahren Mexiko-Stadt durchschüttelte: 228 Menschen starben. 38 Gebäude stürzten ein, mehr als 15.000 erlitten Schäden. Drei Wochen nach dem Beben machte ich ein Foto von einem der eingestürzten Appartment-Häuser in unserer Gegend – ich fand es damals unverständlich und leicht verstörend, dass die Trümmer immer noch nicht weggeräumt waren, dass die Ruine des Gebäudes da noch immer an dieser vielbefahrenen Strasse stand, mitten in einem extrem dicht besiedelten Wohngebiet.

Die Ruine an der Ecke Gabriel Mancera und Escocia steht auch heute noch dort, unverändert. Nur mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt.

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Denn in den vergangenen Monaten war ich so häufig ungläubig der Dinge, die hier geschehen. Die Bundesregierung von Präsident Enrique Peña Nieto und der Bürgermeister von Mexiko-Stadt, Miguel Angel Mancera, preisen die Erfolge des Wiederaufbaus: Melden x Millionen Pesos, die an die Opfer als Unterstützung gegeben; y Essen, die in Notunterkünften bereitgestellt; z Schulen, die wiedereröffnet wurden. Von den mehr als 1000 Gebäuden, die schwere Schäden in der Statik haben, wurden gerade mal 329 vom Institut für Bausicherheit untersucht; 102 davon sollen abgerissen werden, aber bisher wurde das bei nur fünf erledigt. Und das, drei Monate nach dem 19. September 2017.

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Viele Opfer befinden sich immer noch im bürokratischen Limbo. Typisches Beispiel: Strasse Zapata 252, im Bezirk Benito Juárez, wo auch wir wohnen. Ein Wohnkomplex, gebaut 1983, also vor dem letzten schweren Beben 1985. Drei Türme, sechsstöckig, mit Apartments, insgesamt 116 Familien lebten vor dem Beben dort. Das Gebäude wurde so stark beschädigt, dass es direkt nach dem Beben zwangsevakuiert wurde. Die Bewohner mussten bei Familienmitgliedern, Freunden oder in einer der Not-Herbergen unterkommen; bis heute. Denn es folgten diverse Untersuchungen mit unterschiedlichen, häufig widersprüchlichen Ergebnissen: Abrissreif! Oder nein, doch nicht, es kann repariert werden. Aktuell werden tiefergehende Studien gemacht, die nicht günstig sind. Falls diese ergeben, dass man das Gebäude retten kann, kommen erst die tatsächlichen Reparaturkosten auf die Bewohner zu. Kaum einer war versichert; die Quote für Gebäudeversicherung gegen Erdbeben lag vor dem 19. September bei weniger als 5 Prozent.

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Ich bin nach dem Beben zu diversen Ämtern gegangen, hab’ unterschiedliche Hilfscenter besucht. Es wurde uns folgende Unterstützung angeboten: Mietzuschuss von 3000 Pesos (grob 150 Euro) für drei Monate; eventuelle Reparatur durch eine der “Brigaden” der Stadt, wobei total unklar war, wie und wo man die beantragt; und schliesslich ein Kredit von bis zu 2 Millionen Pesos (100.000 Euro) zu einem Zinssatz von 9 Prozent, über 20 Jahre, bei dem nur der Zins gezahlt werden muss, die Tilgung wird einem erlassen. Das heisst aber, dass die Person über die 20 Jahre insgesamt 3,6 Millionen Pesos zurückzahlt. Vielen geht es so wie den Bewohnern des Apartmenthauses in der Strasse San Francisco 608, die ihren Ärger öffentlich gemacht haben: Bisher hilft uns keiner!

Unser Bezirksbürgermeister, Christian von Roehrich, hat vorgeschlagen, auf den Grundstücken der Gebäude, die eingestürzt sind oder abgerissen werden müssen, vom Privatsektor Neubauten hinsetzen zu lassen, die aber 35 Prozent mehr Wohnraum schaffen, als das Haus, das dort vorher stand. Die Wohnungen sollen dann, angeblich kostenfrei, an die Opfer gehen; das Bauunternehmen finanziert sich mit dem zusätzlichen Wohnraum, den es verkaufen kann. Der Plan kam nicht ganz so gut an, weil in unserem Bezirk soundso schon so viel gebaut wird, dass die Infrastruktur Probleme hat, Schritt zu halten (Verkehr, Wasser- und Abwasserversorgung, Grünflächen, etc.). Fakt ist, dass die Menschen in bestimmten Bezirken in Mexiko-Stadt einfach relativ gesehen zu wohlhabend sind, als dass ihnen die Regierung helfen wird, denn es gibt Zehntausende, die viel, viel schlechter dran sind, an die die Mittel erstmal gehen.

Heute hat Bürgermeister Mancera im Norden der Stadt 680 Personen ein neues Zuhause überreicht. Diese Menschen lebten noch immer in einem Camp, Opfer des Erdbebens von 1985. Über Twitter schickte MAM, Spitzname Manceras, Bilder in die Welt, auf denen er freudestrahlende Menschen drückt und Hände schüttelt. “Die Stadtregierung arbeitet daran, dass Menschen nicht in provisorischen Unterkünften leben müssen.”, textete er dazu. Man fragt sich, ob MAM sich der Ironie seiner Worte bewusst ist. Ein solcher Satz, nachdem diese Menschen 32 Jahre kein richtiges Zuhause hatten? Warum um alles in der Welt hat das so lange gedauert?

3 Wochen, 3 Monate, 32 Jahre. Zeit wird in Mexiko anders gemessen, zumindest, wenn Bürokratie mit ins Spiel kommt. Der grosse Wiederaufbau-Plan, der diesen Monat erlassen werden sollte, kommt jetzt wohl erst im Januar – die Weihnachtsferien sind leider dazwischen gekommen. Ich wünsche allen Opfern des Bebens vom 19-S, dass ihre Nöte von den Verantwortlichen ernst genommen werden! Das wäre das beste Weihnachtsgeschenk für diese verletzte Stadt.

Simulación

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Grité victoria demasiado temprano. Unos pocos días después de que suspendieron los trabajos en la construcción, otra vez estaban avanzando con la obra. Es un paso adelante, y uno o dos atrás. Es bastante frustrante. Si el reglamento dice que puedes construir edificios hasta 4 pisos, nada más, así debería ser. Y debería ser la responsabilidad de las autoridades (que dan los permisos para construir) que los desarrolladores cumplen con las normas. Llamo a las autoridades que hacen su chamba bien.

Éxito para Hidalgo

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Parece que la protesta tenía un impacto. Mi amiga vi este sello en viernes en la noche en la obra. Esperemos que no es nada más un acto de corto plazo, pero que la delegación asuma su trabajo de asegurarse que esta construcción cumple con las leyes y regulaciones. Estoy segura que sirvió el apoyo de los Supercívicos (www.supercivicos.com) y el hecho que tienen 1.3 millones de seguidores en Facebook…